Literatur zu Open Science
Diese Literaturauswahl richtet sich vor allem an Mitarbeiter*innen von Graduierteneinrichtungen, die Interesse an Open Science haben, aber selbst keine Spezialist*innen sind. Indirekt richtet sich die Liste damit auch an Nachwuchswissenschaftler*innen selbst, die sich über Open Science informieren wollen.
Die Literatur zu Open Science ist bereits enorm umfangreich und wächst ständig weiter. Die fachliche Ausdifferenzierung und die ständige Dynamik des Feldes erlaubt es uns nicht, zu jedem Zeitpunkt einen aktuellen Stand der Forschung abzubilden. Vielmehr wollen wir einzelne Ansatzpunkte für eine vertiefende Beschäftigung mit dem Thema bieten. Wir konzentrieren uns deshalb auf Überblicksarbeiten und Publikationen, die Debatten und Begriffe geprägt haben, sprich auf moderne Klassiker. Die Open-Science-Bewegung ist in verschiedenen Fächern unterschiedlich stark vertreten. Es liegt deshalb in der Natur der Sache, dass bei einem solchen Überblick manche Fächer (z. B. die Psychologie, die bereits sehr früh den Diskurs und die Praktiken rund um Open Science mitgeprägt hat) stärker vertreten sind als andere.
Ziel der Auswahl war es, zu jedem Teilbereich einen oder mehrere Titel zu benennen. Die Literaturkommentierung wurde sehr knapp gehalten, um schnelle Orientierung über den Nutzen zu ermöglichen. Gerade weil das Feld von englischsprachigen Beiträgen geprägt ist, wurde der Versuch unternommen, deutsche Literatur (mit)aufzunehmen, wo das möglich war.
Hinweise auf geeignetere Titel sind der AG sehr willkommen!


Literatur Open Science Allgemein

  • Allen, Christopher/Mehler, David M. A. (2019): “Open science challenges, benefits and tips in early career and beyond”, in: PLoS Biology, 17(5), 3000246. doi:DOI: 10.1371/journal.pbio.3000246, PMID: 31042704, 14 pp.

Der Beitrag von Allen und Mehler fokussiert auf die Situation in der Psychologie und vergleichbaren Sozialwissenschaften, und dabei konkret auf die Doppelfrage: Inwieweit beeinflussen Open-Science-Praktiken einerseits die Chancen auf wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn) und beeinflussen sie die Karrierechancen von early-career researchers (ECRs)?

Die detailliert dargestellten drei Herausforderungen (challenges) sind 1. ein Verlust an Flexibilität etwa durch Praktiken wie die Vorabregistrierung (preregistration) von Studien; 2. der Zeitaufwand, der für diese Praktiken anfällt; und 3. das Fehlen von Anreizstrukturen, die Open-Science-Praktiken und eben den mit diesen verbundenen (Mehr-)Aufwand honorieren.

Die Vorteile (benefits) bestehen dagegen aus 1. der größeren Verlässlichkeit der Ergebnisse; 2. dem Vorhandensein und der Zunahme und Verbesserung von unterstützenden Tools; und 3. die Chance auf Reputationsgewinn (mehr Publikationen, Zitationen usw.). Während die wissenschaftliche Erkenntnis in der Abwägung der sechs Punkte eindeutig gewinnt, ist der Befund in Bezug auf die ECRs deutlich gemischter.

English

The contribution by Allen and Mehler focuses on the situation in psychology and comparable social sciences, and specifically on the double question: To what extent do open science practices influence the chances of gaining scientific knowledge on the one hand, and do they influence the career opportunities of early-career researchers (ECRs) on the other?)

The three challenges described in detail are 1. a loss of flexibility, for example through practices such as preregistration of studies; 2. the time required for these practices; and 3. the lack of incentive structures that reward open science practices and the (extra) effort associated with them.

The benefits, on the other hand, consist of 1. the greater reliability of the results; 2. the existence and increase and improvement of supporting tools; and 3. the chance of reputational gains (more publications, citations, etc.). While scientific knowledge clearly wins in the weighing of the six points, the findings with regard to ECRs are much more mixed.


  • Kreutzer, Till/Lahmann, Henning (2019): Rechtsfragen bei Open Science. Ein Leitfaden. Hamburg: Hamburg University Press, https://doi.org/10.15460/HUP.195, 156 Seiten.

Welche Rechte benötige ich, um ein Dokument unter einer Open-Access-Lizenz zu publizieren? Darf ich ein eigenes oder fremdes Preprint ins Netz stellen? Wem gehören die Forschungsdaten eines Projekts? Viele Rechtsfragen stellen sich unter Open-Science-Bedingungen auf andere Weise, andere tauchen neu auf. Im Kompendium von Kreutzer/Lahmann werden sie systematisch zusammengestellt und beantwortet.

Das Werk bietet im 1. Teil zunächst eine kompakte Einführung in wesentliche rechtliche Rahmbedingungen – in Deutschland –, die im Zusammenhang mit Open Science wichtig sind: (1) Urheber- und Urhebervertragsrecht, (2) Recht an Forschungsdaten und Datenbanken, (3) Open Educational Resources, Free & Open Source Software, Open Content, Open Data und Open Access, (4) Persönlichkeitsrechte und Datenschutz, (5) Haftung und Verantwortung bei Verstößen.

Im 2. Teil werden häufige Rechtsfragen abgehandelt zu (1) Lizenzverträgen, Veröffentlichungsvereinbarungen und Deposit Licences, (2) Offenen Lizenzen, (3) Bildrechten, (4) Zweitveröffentlichungen und Nachnutzungen, (5) Software, (6) Forschungsdaten, (7) Haftung sowie (8) Datenschutz, Persönlichkeitsrecht und Einwilligung.

English

What rights do I need to publish a document under an Open Access licence? Can I put my own or someone else’s preprint on the web? Who owns the research data of a project? Many legal questions arise in a different way under Open Science conditions, others emerge anew. In the compendium by Kreutzer/Lahmann, they are systematically compiled and answered.

In Part 1, the work first offers a compact introduction to essential legal framework conditions – in Germany – that are important in connection with Open Science: (1) copyright and copyright contract law, (2) rights to research data and databases, (3) Open Educational Resources, Free & Open Source Software, Open Content, Open Data and Open Access, (4) personal rights and data protection, (5) liability and responsibility in the event of infringements.

Part 2 deals with common legal questions on (1) licence agreements, publication agreements and deposit licences, (2) open licences, (3) image rights, (4) secondary publications and re-use, (5) software, (6) research data, (7) liability and (8) data protection, privacy rights and consent.


Weiterführende Literatur Open Science allgemein:

  • Tochtermann, Klaus / Höfler, Anna Maria (2023): Open Science, in: Kuhlen, R., Semar, W., Womser-Hacker, C., Lewandowski, D. (Eds.): Grundlagen der Informationswissenschaft, 7. Auflage, Berlin: De Gruyter, pp. 703-714, doi:10.1515/9783110769043-060 Link zum Volltext (PDF)
  • Leonelli, Sabina (2023): Philosophy of Open Science, first edition, Cambridge: Cambridge University Press. Link zum Volltext (PDF)
  • Miedema, Frank (2022): Open Science: the Very Idea. Utrecht: Springer Nature

Public Engagement, Citizen Science

  • Bonn, Aletta, et al. (2016): Grünbuch Citizen Science Strategie 2020 für Deutschland. Berlin: Bürger schaffen Wissen (GEWISS), online unter www.buergerschaffenwissen.de, 40 Seiten.

Das „Grünbuch“ gibt aufgrund breiten Inputs von Stakeholders einen Überblick über Praktiken und Verständnis von Citizen Science speziell in Deutschland.

„Citizen Science umfasst die aktive Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern in verschiedenen Phasen des Forschungsprozesses in den Geistes-, Natur- und Sozialwissenschaften. Die Beteiligung reicht von der Generierung von Fragestellungen, der Entwicklung eines Forschungsprojekts über Datenerhebung und wissenschaftliche Auswertung bis hin zur Kommunikation der Forschungsergebnisse.“ (S. 13.)

Ausgiebig dargestellt werden die z. T. auftretenden Vorbehalte zwischen den ehrenamtlichen „Bürgerwissenschaftler*innen“ einerseits und den Berufswissenschaftler*innen andererseits, indem die einen sich als bloße Hilfskräfte wahrgenommen sehen und die anderen Zweifel an der Qualität der von nicht fachspezifisch ausgebildeten Laienwissenschaftler*innen gelieferten Daten äußern.

Das „Grünbuch“ zeigt Wege auf, die Ausbildung von Bürgerwissenschaftler*innen zu verbessern und damit zugleich Qualität, Wertschätzung und Einbeziehung ihrer Arbeit durch die Wissenschaft zu fördern.

English

Based on broad input from stakeholders, the “Green Book” provides an overview of practices and understanding of Citizen Science specifically in Germany.

“Citizen Science encompasses the active participation of citizens in different phases of the research process in the humanities, natural and social sciences. Participation ranges from the generation of questions, the development of a research project, data collection and scientific evaluation to the communication of research results.” (p. 13.)

The sometimes occurring reservations between the voluntary „citizen scientists“ on the one hand and the professional scientists on the other hand are described in detail, with the former seeing themselves as mere assistants and the latter expressing doubts about the quality of the data provided by lay scientists who have not received specialist training.

The “Green Book” shows ways to improve the training of citizen scientists and at the same time to promote quality, appreciation and inclusion of their work by the scientific community.


  • Haklay, Mordechai (Muki), et al. (2021): “What is citizen science? The challenges of definition”, in: Vohland, Katrin, et al. (eds.): The science of citizen science, Cham/Switzerland: Springer Nature Switzerland, https://doi.org/10.1007/978-3-030-58278-4, pp. 13-33.

In diesem Beitrag geht es um Definitionen – und darum, warum eine einheitliche Definition sich als schwierig erweist. 34+9 Definitionen in zwei Listen werden aufgelistet aus Nachschlagewerken, von Citizen-Science-Verbänden, von multinationalen Organisationen, solche, die auf spezifischen rechtlichen oder kulturspezifischen Voraussetzungen der USA, der EU, Deutschlands, Großbritanniens und weiterer europäischer Länder fußen. Die deskriptiven (was), instrumentellen (wozu) und normativen (wie sollte es sein) Aspekte werden erörtert. Wesentliche Bemerkungen thematisieren den mindestens latenten Gegensatz zwischen einem normativen top-down-Ansatz und einem vielfach positivistischen Wissenschaftsverständnis innerhalb vorhandener disziplinärer Strukturen einerseits und den z. T. abweichenden bottom-up-Wünschen von Mitwirkenden, die auch im Forschungsprozess über das bloße Datensammeln hinausgehen. Abschließend werden die 34 Definitionen der ersten Liste in eine Matrix eingeordnet nach dem Kontext, den Zielen (objectives), den Hauptakteuren (main actors) und an wen sich die Definition richtet.

English

This paper is on definitions – and on why a uniform definition proves difficult. 34+9 definitions in two lists are listed from reference works, from citizen science associations, from multinational organizations, those based on specific legal or culture-specific requirements of the USA, the EU, Germany, the UK and other European countries. The descriptive (what), instrumental (what for), and normative (how should it be) aspects are discussed. Essential remarks address the at least latent contrast between a normative top-down approach and a frequently positivistic understanding of science within existing disciplinary structures on the one hand, and the partly divergent bottom-up desires of contributors, which also go beyond mere data collection in the research process. Finally, the 34 definitions of the first list are arranged in a matrix according to context, objectives, main actors and to whom the definition is addressed.


Replication Crisis

  • Ioannidis, John P. A. (2005): Why Most Published Research Findings Are False, in: PLoS Medicine 8/2, S. 0696-0701, e124, https://doi.org/10.1371/journal.pmed.0020124.

Der Aufsatz von Ioannidis beschreibt wichtige Aspekte der Replikationskrise schon 2005, Jahre bevor der Begriff replication crisis überhaupt aufkam. Ioannidis’ provozierender Titel bezieht sich auf die Medizinforschung: Schon aus statistischen Gründen ließe sich die Mehrheit der Ergebnisse medizinischer empirischer Paper nicht replizieren, d. h. andere Forschende könnten die Ergebnisse bei einer Wiederholungsstudie nicht bestätigen, es handele sich um falsch positive Ergebnisse, die auf keinen echten Effekten beruhen.

Als wichtige Faktoren identifiziert Ioannidis unter anderem die ausschließlich Fixierung auf den Signifikanzwert (p-Wert) bei der Datenauswertung, die Größe von Stichproben (kleinere Stichproben ergeben leichter falsch positive Ergebnisse), die zu hohe Flexibilität bei der Auswertung von Studien (researcher degrees of freedom), aber auch wissenschaftssoziologische Umstände wie finanzielle Interessen und Vorurteile sowie erhöhten Konkurrenzdruck in einem Forschungsfeld.

Vielfach wurden Ioannidis’ Thesen gerade in Bezug auf die Aussage, dass die „meisten“ Forschungsergebnisse falsch seien, als übertrieben und auf unzutreffenden Annahmen basierend relativiert, seine analytische Kritik und anknüpfende Überlegungen aber ganz überwiegend akzeptiert und konstruktiv weiterentwickelt, wozu auch Ioannidis selbst weitere Beiträge geliefert hat.

English

Ioannidis‘ essay describes important aspects of the replication crisis already in 2005, years before the term replication crisis even appeared. Ioannidis‘ provocative title refers to medical research: For statistical reasons alone, the majority of the results of medical empirical papers could not be replicated, i.e. other researchers could not confirm the results in a repeat study, they were false positives based on no real effects.

Among other things, Ioannidis identifies as important factors the exclusive fixation on the significance value (p-value) in data evaluation, the size of samples (smaller samples yield false positive results more easily), too much flexibility in the evaluation of studies (researcher degrees of freedom), but also sociological circumstances of science such as financial interests and prejudices as well as increased competitive pressure in a research field.

In many cases, Ioannidis‘ theses, especially with regard to the statement that „most“ research results are wrong, have been relativized as exaggerated and based on inaccurate assumptions. However, his analytical criticism and related considerations have been predominantly accepted and constructively developed further, to which Ioannidis himself has also made further contributions.


Einführung Open Data

https://data.europa.eu/en/academy/introducing-open-data

Hierbei handelt es sich nicht um eine Literaturangabe im klassischen Sinne, sondern um ein Fortbildungsangebot auf dem Internetportal der Europäischen Union. Es umfasst Videos, PDFs, und Fragebögen. Es bietet eine Einführung in das Thema und zum Mehrwert und den Gründen für Open Data.